REFUGIUM

15.7.–27.8.2023

Niina Lehtonen Braun (*1975 in Helsinki/Finnland)
Gunilla Jähnichen (*1972 in Stade/Deutschland)
Patricia Lambertus (*1970 in Kempten/Deutschland)
Stefhany Y. Lozano (*1986 in Bogota/Kolumbien)

Mit der Ausstellung REFUGIUM greifen wir die allgemeine Neubewertung des Emotionalen in Gesellschaft und Wissenschaft auf. Die eingeladenen Künstlerinnen Niina Lehtonen Braun, Gunilla Jähnichen, Patricia Lambertus und Stefhany Y. Lozano nutzen den Rückzugsort ihrer künstlerischen Arbeit, um Emotionen als Ausdrucksform strategisch einzusetzen. Befeuert durch digitale Medien und soziale Netzwerke, erleben wir derzeit eine Wende zum Emotionalen. Gefühle beeinflussen unser Handeln, stellen ein Gegengewicht zur Rationalität dar und steuern zunehmend auch die gesellschaftliche Kommunikation. Die Gesellschaft, die Wissenschaft und die Kunst messen Gefühlen eine stärkere Bedeutung zu. Das Gefühle wichtig sind, merken wir, weil wir in bedeutsamen Situationen besonders starke Emotionen erleben. Gefühle beeinflussen immer auch unser Handeln. Das passiert im Privaten, im sozialen Miteinander aber auch in wichtigen gesellschaftlichen Prozessen.

Niina Lehtonen Brauns Arbeit umfasst Zeichnungen, Collagen und Installationen und folgt dabei gesellschaftskritischen Fragestellungen. Mit dem Medium der Collage untersucht sie psychologisch komplexe Themen, um Wege zu deren Verarbeitung zu finden. Wie selbstverständlich macht sie auch familiäre und freundschaftliche Beziehungen zum Gegenstand ihrer künstlerischen Arbeit. Ihre raumgreifende Installation aus Zeichnungen und Collagen hat sie eigens auf den Putbus, das Thema und die Jahreszeit angepasst. Die „Sommerinstallation“ präferiert helle Farben und erscheint auf den ersten Blick fröhlich, doch sie umkreist Ängste, Konflikte und Träume. In Lehtonens Werk wird die Frau meist als handelndes Wesen dargestellt – sie malt, liest, raucht Pfeife oder spendet Trost – und bricht damit das Klischee der Frau als Objekt der Begierde und der Betrachtung auf. In einer Kunstgeschichte, in der Frauen eine Rolle spielen, kommt auch die Familie vor und all die Schwierigkeiten, die zu unser aller Alltag gehören. Niina Lehtonen Braun studierte an der Hochschule der Bildenden Kunst Helsinki, ist Mitglied der Performancegruppe „JOKAklubi“ und Gründungsmitglied des Berliner Projektraums „HilbertRaum“. 2019 war sie Visiting Artist des Finnland-Instituts in Deutschland. Sie arbeitet in wechselnden Konstellationen auch kooperativ und tritt europaweit als Performancekünstlerin auf. Werke befinden sich in den Sammlungen der Finnischen Nationalgalerie, dem Kiasma Museum, Helsinki und dem Helsinki Art Museum.

Gunilla Jähnichen beschäftigt sich mit bildliche Möglichkeitsformen menschlicher Emotionen. Ihre reduzierten Darstellungen von Basisstimmungen denken das Phänomen der Verwendung von Emojis als verknappte Mitteilungen von Gefühlszuständen mit. Die Emotion spielte in ihrem Werk stets eine Rolle und hat Betrachter:innen oft nachhaltig irritiert. Schon bevor die Wissenschaft die Rolle der Emotion als Einfluss auf vermeidlich rationale Entscheidungen festgestellt hat, hat sie unterschiedlichste Gefühle in erzählerischen Arbeiten verarbeitet. Dabei hat sie stets auch die Farbe und malerische Qualität eine Rolle gespielt. Deutlich wurde dies zuletzt in ihrer Werkserie zum Thema der „Wut“, in der dieses starke Gefühl in plakativer Ästhetik und Leuchtfarben, doch zugleich subtilen Malereiwelten umgesetzt war. Oft sind Emotionen direkt an Kindheitserfahrungen geknüpft. Indem die Künstlerin uns dorthin zurückführt, ermöglicht sie verborgenen Gefühlen  sichtbar zu werden. Erstmalig werden hier auch Landschaften gezeigt, die Gefühle vermitteln. Die deutsch-schwedische Malerin Gunilla Jähnichen hat in Hannover, Reykjavik und Hamburg u.a. bei Stanley Brouwn und Werner Büttner studiert. Ihr Werk wurde in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt, darunter in der Kunsthalle Gießen, der Kunsthalle Recklinghausen und der Liljevalchs Konsthall (Stockholm).

Patricia Lambertus schafft bildgewaltigen Rauminstallationen, die sich im Spannungsverhältnis von Fiktion und Realität, von Schönheit und Zerstörung bewegen. Sie untersucht die Faszination von Gewalt und die Lust an der Macht in ihren medialen und alltäglichen Erscheinungsformen. Für die Ausstellung auf Rügen hat sie nach Recherchen im November 2022 auf Rügen eine neue mehrteilige Installation zum Thema Romantik entwickelt, die hier erstmals gezeigt wird. In einer „visuellen Achterbahnfahrt“ (Arie Hartog) nimmt sie die Betrachter mit in eine hyperrealistische und darum künstliche Welt, in der die Wahrnehmung ins Trudeln gerät. Betrachter:innen werden räumlich hineingezogen in eine Darstellung aus dem kollektiven und medialen Bilderschatz, die ein Gesamtbild für die komplexe Welt erfinde. Darin überlagern sich historische Ansichten mit aktuellen Fotos, ein schwarzer Prinz blickt in die VR-Brille während Fürst Malte ins Leere schau und Klimaaktivisten sich am Gemälde der Kreidefelsen auf Rügen festkleben. Caspar David Friedrich erscheint als Staffagefigur und wendet sich ab. Patricia Lambertus hat u.a. bei Katharina Grosse an der Kunsthochschule Weissensee studiert und ist Meisterschülerin von Karin Kneffel. Sie erhielt sie zahlreiche Stipendien und Preise, darunter den Pollock-Krasner-Grant (New York/USA), den Thales Förderpreis der NORDWESTKUNST, war Residenzkünstlerin u.a. im Künstlerhaus Schloss Balmoral.

Stefhany Y. Lozano handgeknüpfte Teppichbilder zeigen Porträts scheinbar alltäglicher Charaktere. Doch unter der plakativen und farbenfrohen Fassade, lauern Gefühle von Angst und Bedrohung. Reduziert auf wenige Merkmale und Haltungen verarbeitet sie menschliche Emotionen, die jedem und jeder bekannt sind. Jahrelang hat sie ihre künstlerischen Ideen von Hand gestickt, mit der kunsthandwerklichen Methode des Tuftens konnte sie nicht nur schneller, sondern auch größer arbeiten. Doch vor allem hat sie der Gegensatz zwischen der flauschigen Oberfläche, die eher für Gemütlichkeit steht, zu ihren Motiven interessiert. So wie der wollige Flausch stellen auch die fröhlichen Farben einen Gegensatz zu den Grundgefühlen menschlichen Daseins dar, die sie in den Bildern darstellt. Die geschlossene Form der Körper wird oft zusätzlich mit einem Rahmen umgrenzt, damit schafft die Künstlerin ein stimmiges Bild für das Gehäuse der Einsamkeit, in dem sich Menschen unter dem Einfluss von Gefühlen oft befinden. Stefhany Yepes Lozano ist eine in Deutschland lebende kolumbianische Künstlerin und Illustratorin. Sie arbeitete als freiberufliche Illustratorin u.a. schon für die New York Times, Le Monde Diplomatique und das ZEITmagazin.

Die Ausstellung wird gefördert durch Stiftung Kunstfonds und die Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern.